Im Zeichen der Musik
Denkwürdige Nacht in Agia Galini. Nach einem späten vorgestrigen Abend – den wir mit Babyfon und unseren “Eltern-Platz-Nachbarn” in der absolut empfehlenswerten Campingplatztaverne verbrachten – wollten wir gestern mal ein wenig früher ins Bett um Schlaf nachzuholen (Mathis zeigt wenig Verständnis für solche Erwachsenenaktivitäten und ist konsequent um 07:30 Uhr wach). Gesagt, getan, 22:10 Uhr ging bei uns das Licht aus.
Ungefähr zu gleichen Zeit passierten zwei Dinge, die den weiteren Verlauf der Nacht entscheiden beeinflussen sollten:
- Nebenan begann eine private Feier, bei der auch Live-Musik zum Besten gegeben wurde.
- In Oslo startete der “Eurovision Song Contest”.
Die Feier nebenan konnte man im Innern des Autos nur gedämpft wahrnehmen – wenn man sich unten aufhielt, also z.B. in Mathis Bett. Die obere Etage unseres kleinen Heims zeichnet sich dagegen durch zeltstoffähnliche Wände aus, die akustischen Einflüssen wenig entgegenzusetzen vermögen. Mit anderen Worten: Julia und ich lagen akustisch quasi zwischen den Gästen der Feier, genauer gesagt: Vor der Bühne der Live-Musik (Becke hat sich 1990 schon einmal zu den akustischen Eigenheiten von VW-Bussen ausgelassen – zusammengefasst lässt sich sagen, dass man durchaus mal das Gefühl bekommen kann, inmitten einer Ziegenherde liegend durch Kaugeräusche Wassermelonenverspeisender Griechen aus dem Schlaf gerissen zu werden). Die Musiker begann mit typisch-griechischen Klängen, für manchen mag das schon ein Grund sein, die Flucht zu ergreifen, wir dagegen schlummerten selig ein, denn die Musik war sehr schön.
Das konnte man gegen 01:30 Uhr nicht mehr behaupten. Gäste und Musiker hatten sich offensichtlich in Rage gefeiert, der ein oder andere Tropfen Retsina oder Ouzo mag unterstützende Wirkung gehabt haben. Jedenfalls überzeugten die Musiker durch harte Gitarrenriffs (sofern die auf den griechischen Lauten möglich sind), verstärkt durch brunftschreiähnliche orale Begleitung und rhythmisches Klatschen der Gäste – jedoch offenbar zum Rhythmus der vorbeifahrenden Motorräder, nicht zur Musik. Julia (mit Ohropax) schlief, Jonas war wach.
Nachdem gegen 02:12 Uhr vorübergehend Ruhe eingekehrt war, setzte die Musik um 02:31 Uhr wieder ein – offenbar hatten die Bandmitglieder zwischendurch noch eine Flasche Ouzo geleert, denn die Qualität ließ nochmals spürbar nach, nicht jedoch die Lautstärke. Um 02:58 Uhr war dann aber Gottseidank Schluß. Stille (jedenfalls fast, im Hintergrund hörte man das leichte Gestampfe der Stranddiskos, aber das war ja nun wirklich harmlos und half eher, eine einschläfernde Pulsfrequenz zu finden).
Auftritt der 5 Mittvierzigerinnen (deutsch), die neben uns zelten. Sie waren offensichtlich im Dorf gewesen und hatten sich dort in einer Bar den Eurovision Song Contest angeschaut. Der war ja nun mit einem Erfolg von Lena Meyer-Landrut zuende gegangen, was durch die Damenrunde nochmal lauthals rekapituliert wurde (nicht ohne zwischendurch mehrere Mal das Lied zu “singen”). Scheint ein besonderes Ereignis gewesen zu sein, das der tiefgreifenden Analyse bedurfte, inklusive erörternder Vergleiche zu anderen Liedern (“das türkische war auch schön”, “ich fand natürlich das griechische gut”, “wie war das spanische nochmal”). Offenbar fand die Diskussion unter erschwerten Bedingungen statt – vielleicht eine Art Spiel? – wie an den Zwischenrufen zu erkennen war (“wo ist mein Nachthemd?”, “ich halte Euch nicht mehr aus, nehme jetzt Ohropax”, “ist das dunkel hier”, “Sabine schläft schon, oder, Saaabiiinee?”), aber ich möchte als Entschuldigung die Neigung griechischer Tavernisten zum Abfüllen jeglicher Gäste anführen. Jedenfalls, als die Diskussion gerade beendet schien und es stiller wurde, musste Dagmar (Namen sind übrigens frei erfunden) nochmal aufs Klo und Claudias Versuch, zu folgen, endete in einem Speigeräusch. Weitere Details erspare ich mir hier, jedenfalls haben alle anwesenden Damen nochmal besorgt geholfen. Es wurde dann aber endlich still, 04:23 Uhr.
Auftritt des (herrenlosen?) Hundes, der sich bemüßigt sah, seinen Ärger über die wiederholten Störungen durch lautes Gebell kundzutun. Verschiedene Anwohner der Platzes (nein, nicht die Damenrunde, die schlief nun selig) versuchten den Hund zu beruhigen. Fast bekamen sie das auch hin. Immer wieder mal wurde die Nacht durch eine unwirkliche Stille unterbrochen. Zum Glück wurde es dann ja langsam hell, und so gegen 05:43 sah auch der Hund ein, dass sich niemand mehr für seine Meinung interessierte.
07:28 Uhr. Auftritt Mathis. Frühstück ohne Augen. Ein schöner Tag bricht an, wir fahren heute nach “Camping Sisi” – das war aber vorher schon geplant. Wir berichten dann und lösen auch das Bilderrätsel auf (bislang erst zwei Lösungen!).